S01E01 Raumwelten und Zeitreisen - Das Bauhaus und die 1920er
Shownotes
In der ersten Folge von About Bauhaus unternehmen wir mit dem Szenenbildner Uli Hanisch eine Zeitreise in die Zeit des Bauhauses: die Goldenen Zwanziger. Maschinenzeitalter, Innovationen und Umbrüche haben diese Zeit genauso geprägt, wie die Sehnsucht nach Kunst und modernem Leben. Das Bauhaus hat dabei seinen ganz eigenen Beitrag zum Zeitgeist geliefert, dem wir auf den Grund gehen wollen. Wir werfen einen Blick in die Wohnungen und Raumwelten dieses Jahrzehnts und fragen uns: Was heißt das eigentlich – modernes Wohnen und modernes Leben?
Credits: Host: Adriana Kapsreiter Schnitt: Sebastian Grimberg und Niklas Münch Story/Konzept: Adriana Kapsreiter, Astrid Bähr, Niklas Münch, Lena Günther, Lukas Klaschinski Produktion: Auf die Ohren GmbH Projektleitung Auf die Ohren: Niklas Münch Projektleitung Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung: Esned Nezic
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00:00:00: Das Bauhaus. Weltberühmte Kunstschule der 20er Jahre. Mythos der Moderne. Doch was
00:00:08: steckt hinter der Legende? About Bauhaus, der Podcast des Bauhausarchiv. Museum
00:00:13: für Gestaltung Berlin geht dieser Frage auf den Grund.
00:00:16: Hallo, mein Name ist Adriana Kappsreiter. Ich bin Kunsthistorikerin am Bauhausarchiv
00:00:26: Berlin und darf euch heute recht herzlich zur ersten Folge von "About Bauhaus"
00:00:31: begrüßen. Das Bauhaus. Seit 100 Jahren reden alle über die berühmte Schule für
00:00:37: künstlerische Gestaltung gegründet 1919 in Weimar. Bauhausstuhl, Bauhauslampe, Bauhausstil,
00:00:44: Marke Bauhaus, die ganze Welt ein Bauhaus? Wir fragen uns, was ist dran an dieser
00:00:50: Schule und warum beschäftigt sie uns noch heute? Das möchte ich gerne gemeinsam mit
00:00:55: meinen Gästen aus Kunst, Kultur und Wissenschaft herausfinden. Zusammen werden
00:01:00: wir das Bauhaus nicht nur genauer beleuchten, sondern wir wollen auch einen
00:01:04: Blick hinter die Kulissen werfen und die Bauhäuslerinnen und Bauhäusler hinter
00:01:08: der Story kennenlernen. Es wird also eine Entdeckungsreise und eine Reise in die
00:01:14: 1920er Jahre. Damit sind wir auch schon mittendrin in unsere ersten Folge mit dem
00:01:19: Titel "Zeitreisen und Raumwelten". Mein Gast heute ist der Szenebildner Olihanis.
00:01:26: Herzlich willkommen bei "About Bauhaus". Dankeschön. Sie haben sehr viele Projekte
00:01:30: gemacht, die in der Vergangenheit spielen. Also das Parfum zum Beispiel oder das
00:01:35: Daumenger-Beat spielt ja auch in der Vergangenheit. Für das sind sie gerade
00:01:38: für einen Emmy nominiert worden. Nur mal so nebenbei. Aber einer ihrer größten
00:01:44: Hitze ist Babylon Berlin und das spielt ja nun in den 20ern. Also da gibt es eine
00:01:48: ziemliche Nähe und die 20er... Warum fasziniert sie das eigentlich? Sie haben
00:01:54: ja noch ein paar andere Projekte gemacht, die auch in den 20ern spielen.
00:01:57: Ja, so um die Zeitrunde. Wir sind ja im deutschen Film beschäftigt. Ich bin
00:02:01: sicher doch immer noch viel lieber mit dem dritten Reich. Wir hohen Runde in allen
00:02:05: Facetten. Wobei wir natürlich auch festgestellt haben, ob man jetzt nicht
00:02:09: besonders doller Historiker sein muss um zu wissen, dass man das dritte Reich nicht
00:02:13: verstehen kann, ohne die Wahre publik. Also die Zeit davor irgendwie verstanden zu
00:02:18: haben und den ersten Weltkrieg verstanden zu haben. Und deshalb ist
00:02:20: natürlich die Zeit oder diese ganze Epoche davor... Also nicht nur ist man
00:02:24: natürlich deutlich freudvoller und aufregender als das dritte Reich, sondern
00:02:28: sie gehört aber zum Verständnis eben dazu. Wenn wir jetzt darüber reden, also wo
00:02:33: ist die Verbindung zwischen dem, was ich halt tue und dem Bauhausthema und so
00:02:37: weiter, das wir eben schon so angedeutet, geht das ja die ganze Zeit natürlich um
00:02:41: diesen wahnsinnigen Umbruch. Also das, was wenn Sie fragen, was interessiert mich an
00:02:44: der Zeit, finde ich sehr viele Epochen interessant, aber ich glaube, dass so aus
00:02:49: unserer Sicht als Menschen des ausgehenden 20. oder beginnen 21. Jahrhunderts, wenn man
00:02:55: so zurück schaut, wüsste ich eigentlich keine Epoche der Menschheit, sauber in
00:02:59: unserer westlichen zivilisierten Welt, die auch immer man das so benennen will, wo
00:03:03: so ein größerer Umbruch stattgefunden hat als eben da. Zwischen 1900 und
00:03:08: 1930 ist aber auch ganz grob. Ja, das sehe ich ganz genau so. Also was da alles
00:03:14: passiert, ist unfassbar. Es ist die Zeit der Industrialisierung natürlich, es ist
00:03:19: die Zeit eines unglaublichen politischen Umbruchs, der Erste Weltkrieg sowieso,
00:03:23: und ich persönlich bin eben auch zu diesem
00:03:29: ganzen Bauhausthema gekommen über die Vorgeschichte, auch tatsächlich über
00:03:32: Industrialisierung und ich konnte es nicht fassen, wie spannend das ist, weil man
00:03:36: denkt sich so, also ich erinnere mich noch in der Schule, Industrialisierung hier so
00:03:39: bisschen Dampfmaschinen und so Fabrik und gut ist es, was da alles, jedenfalls was ich
00:03:48: immer unterschätzt habe ist, wie die Welt sich eben wandelt zu der Welt, die wir
00:03:51: heute haben. Also es fängt natürlich damit an, dass Reisen völlig anders wird.
00:03:55: Das Telefon entsteht, es passiert was mit Distanz und Nähe, das was plötzlich
00:03:59: unerreichbar ist auf der anderen Seite, der Weltkugel ist plötzlich erreichbar.
00:04:04: Was eine Riesensache, auch jetzt ist Fotografie, ich glaube das kann man
00:04:07: gar nicht hoch genug einschätzen, was das auch mit der Psyche der Leute macht,
00:04:11: dass man plötzlich so eine neutrale Gegenwart darstellen kann und das hat
00:04:16: ja dann auch einen Rieseneinfluß auf die Kunst. Also es ist ein Grund, warum sich
00:04:19: die Kunst dann ins Abstrakte wendet, weil wir brauchen jetzt noch ein Porträt mal,
00:04:23: die wurden alle arbeitslos. Ja also das sind ein paar einschneidende
00:04:28: Veränderungen, aber es gibt ja noch so viel mehr in der Chemie und es hängt
00:04:32: ja sozusagen alles miteinander zusammen und der Mensch hat ja offensichtlich eine
00:04:36: Neigung dazu, dass er sich technisch schneller entwickeln kann als
00:04:41: emotional oder philosophisch oder geistig, egal wie man vielleicht das nennen soll.
00:04:45: Das heißt irgendwie in dem Moment, alles was sie sagen, ist ja zusammengefasst,
00:04:49: ist ja das Irre, wenn man es sozusagen versucht zu subsumieren, dann ging
00:04:53: plötzlich im Grunde genommen alles, was vorher nicht ging oder so wahnsinnig
00:04:57: viel. Also die Idee eben dank sehr schneller oder sehr starker Maschinen
00:05:03: irgendwie Dinge zu bewegen, zu heben, zu formen, herzustellen, sonst wie was sie
00:05:08: über Kommunikation sagen, über Fotografie. Man muss sofort daran denken, was
00:05:13: es für eine wahnsinnige Sensation gewesen sein muss für die Menschen, dass es
00:05:16: plötzlich abends die Städte einigermaßen hell waren. Also im Wahrsinn des Wortes
00:05:20: "vor der Dunkelzeit befreit" wurde es, weil als elektrisches Licht, da war so was
00:05:24: banales wie elektrisches Licht in der Wohnung, in Berlin, ich bin mit so Fakten
00:05:29: immer so ein bisschen ungenau, also man mag mich da bitte jetzt das nachsehen,
00:05:32: aber in den 10er/20er Jahren eben genau da war das, ich glaube ich, da irgendwann
00:05:36: Anfang der 20er war so etwas wie ein Drittel der Haushalte in Berlin, glaube
00:05:40: ich, erst elektrifiziert. So und es ging alles halt unheimlich schnell,
00:05:43: Radio kam unheimlich schnell in die Haushalte und so weiter oder eben die
00:05:47: Verfügbarkeit von kleinen Kinos und so weiter und all das. Also im Grunde genommen
00:05:52: jagte eine substanzielle oder essentielle Sensation die nächste und
00:05:56: natürlich folgerichtig und das ist glaube ich viel wichtiger noch, Brachen hat
00:06:00: alle alten Strukturen und Systeme auseinander. Also in erster Linie im
00:06:05: Grunde genommen für Europa gesehen eben die Oligarchien, also die ganzen alten
00:06:09: Monarchien und die Strukturen dieser Art, wie auch immer, jetzt im Einzelnen
00:06:13: fingen an zu bröckeln und zerbrachen schließlich und haben das natürlich auch
00:06:18: nicht aus sich sitzen lassen, wo auf Hindern der erste Welt kriegt, das war
00:06:21: ja nichts anderes als ein letztes Aufbäumen von diesen knochenklappenden
00:06:25: Gespenstern, die nochmal mit ihren Säbel rasseln mussten und zu sagen, was für
00:06:28: tolle Typen sind und die waren es halt nicht, weil sie waren halt vergangenheit.
00:06:32: Ja genau, es ist ein riesiges Mosaik aus all diesen Bausteinchen, Politik,
00:06:37: Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Es gibt von Peter Behrens übrigens, weil sie
00:06:41: das erwähnt haben in die Richtung, den schönen Satz, wir haben bisher eine
00:06:44: Zivilisation geschaffen, aber noch keine Kultur, weil die Technik war eben schon so
00:06:49: weit und die Fabrikproduktion war schon so weit und das ist ja auch das, durch die
00:06:54: Fabrikproduktion gibt es Bürger, die reich werden, die sind nicht atlich und
00:06:58: die sind trotzdem super reich und die werden eben auch zu Merzähnen für die
00:07:02: Kunst dann. Plötzlich gibt es nicht nur den König, der irgendwie das irrsinnig
00:07:07: toll eingerichtete Renaissance-Estzimmer haben will, sondern es gibt auch den
00:07:11: Fabrikherrn, der das haben will und gleichzeitig entsteht ja auch da erstes
00:07:16: Massenprodukt, also dass die Maschine fertigt dann eine Lampe mit ganz vielen
00:07:21: Schnörkeln drauf, die sieht aus wie das, was früher der Herr Aristokrat auf dem
00:07:25: Tisch stehen hatte, aber jetzt kann man sich es plötzlich für kleines Geld
00:07:28: kaufen und das wird eine Gemengelage, die wahnsinnig interessant wird fürs
00:07:33: Kunstgewerbe. Ich glaube, das ist ein Begriff, der heute ein bisschen aus der
00:07:37: Zeit gefallen ist oder Kunstgewerbe, kennt man nur noch vom Kunstgewerbemuseum?
00:07:40: Ich glaube, das ist der Begriff, der ist irgendwie aus der Zeit gefallen ist, also
00:07:43: die Beine haben aber was ganz anderes, also eher was Positives sogar. Ja, also es ist
00:07:48: eben eine riesige Entwicklung eigentlich genau in dieser Zeit auch in der
00:07:52: Industrialisierung, weil mit diesem Auftauchen der Maschine, mit den neuen
00:07:55: Innovationen in gesellschaftlichen Veränderungen will man plötzlich Kunst
00:07:59: überall. Und Kunstgewerbe heißt eigentlich nur nach künstlerischem
00:08:04: Entwurf gefertigte Gebrauchsgegenstände und schönes altmodisches Wort "Zirat".
00:08:10: Also alles, wo wird man dekoriert? Also die haben dann die Häuser sehr, sehr
00:08:16: aufwendig dekoriert. Das war eine eigene Branche dann, alles mit Kunst, also jedes
00:08:22: Tellerchen, jeder Zigarettenanzünder und die sind dann auch ein bisschen durchgedreht,
00:08:26: was das angeht. Dieser Wunsch, dieses Sehnsucht nach Kunst, vielleicht weil die
00:08:30: Zeit so chaotisch wurde, vielleicht weil die Fabrik so hässlich war, das spielen
00:08:33: sicher auch wieder viele Faktoren mit rein. Wie Sie sagen, das Interessante ist ja
00:08:37: daran, dass diese Gegenstände, also in dieser luxuriösen Schönheit sozusagen,
00:08:44: war ja etwas, was vorher sehr, sehr wenigen vorbehalten war. Das heißt,
00:08:48: natürlich hat man damit groß bestaunen und so jetzt natürlich mit einem tollen
00:08:53: Neid drauf geguckt und auf einmal war es wie ein weiteres Wunder verfügbar.
00:08:58: Natürlich standen da erstmal alle senkrecht drauf. Ja klar, also das kennen wir
00:09:03: ja auch, wenn es dann plötzlich eine Feldschirm gibt vom Markenprodukt und
00:09:06: alle stürzen sich drauf. Also das war damals eben tatsächlich nicht anders,
00:09:10: nur dass eben die Klassenunterschiede schon noch mal anders waren.
00:09:14: Naja, also Deutschland war bekannt für seinen schlechten Geschmack in der Zeit.
00:09:19: Das hat sich ja gar nicht so drehen. Das haben wir jetzt aber Sie gesagt.
00:09:22: Ja, ich glaube, das ist noch meine Stimme. Die Geschichte mit Made in Germany,
00:09:26: kennen Sie die? Also ich kannte sie nicht und für all unsere Hörer und Hörerinnen,
00:09:30: Made in Germany wurde ursprünglich vom britischen König entwickelt, um seine
00:09:34: Leute zu schützen vor der deutschen Schundware. Die waren nämlich wahnsinnig
00:09:39: billig produziert mit billigen nachgemachten Materialien und auch so
00:09:43: Industrie-Spionage. Die haben Designs einfach geklaut von anderen Ländern und
00:09:48: ebenso wie Made in China in den 90ern war damals Made in Germany.
00:09:53: Weil die Franzosen konnten sich natürlich auf ihre ganzen Louis, Carres,
00:09:57: Cartons, wie sie alle heißen, geschmacklich beziehen und die Italiener haben ja sowieso
00:10:02: tausend Kapitel der Kunstgeschichte. Und die haben sie dann doch leider immer aufwunden als Erste.
00:10:07: Und die sind halt dann noch lange an dem Hängen geblieben. Dann gab es halt
00:10:10: Neo-Renaissance bei den Italienern und Neo-Barock bei den Franzosen, aber worauf
00:10:14: konnten die Deutschen zurückgreifen? Ja, die Deutschen, ich glaube eh, dass die
00:10:17: Deutschen irgendwie keinen wirklichen Hang zum Zierrat haben.
00:10:22: Ja, das stimmt. Also eine steile These. Also Sie haben es damals wirklich versucht.
00:10:27: Es gab unfassbar viel Schmuck und Zierrat, Trapierungen und was weiß ich, also auch
00:10:33: immer so Fantasiegebilde. Also man hat sich dann orientalischen Salon einrichten
00:10:37: lassen, der so aufwendig dekoriert war mit so viel Stoff und Traparin und hier noch
00:10:41: eine künstliche Pfauenfeder. Das haben alle gemacht. Das haben alle gemacht.
00:10:45: Also dieser kolonialer, exotische Moment, der im Prinzip ja eben wirklich von den
00:10:50: Kolonialmächten kam, ich glaube da waren die Engländer eher die Weltmeister, weil die
00:10:54: auch am meisten mit dem Thema befasst waren. Das stimmt, orientalische Zimmer,
00:10:57: chinesische Zimmer. Aber jetzt kommen wir ja im Prinzip in der Überleitung von dem
00:11:01: ersten entstehen dieses Kunstgewerbes, also einer Massenproduktion im Grunde auf
00:11:07: das Bauhausthema, weil die sind ja sozusagen derselben Idee entsprungen, also
00:11:11: der Möglichkeit und haben eben aber was anderes gemacht.
00:11:17: Das Bauhaus wurde 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet und zwar
00:11:23: als Schule die Kunst- und Kunstgewerbe vereinen wollte. Der Geist einer neuen
00:11:29: Kunst in allen Dingen, in allen Häusern, in der Einrichtung und im Küchengerät,
00:11:34: vom Kinderspielzeug bis hin zum Theaterstück. Danach folgten 14 Jahre
00:11:39: voller Ups and Downs, drei verschiedene Direktoren, drei Schulgebäude in
00:11:44: Weimar, Dessert und Berlin, bis die Nazis 1933 die Schließung der Schule
00:11:49: erzwangen. Die Geschichte beinhaltet also viele Kapitel und Unterkapitel, aber
00:11:54: auch einen roten Faden. Das Bauhaus wollte der Zeit und all ihren
00:11:59: Umbrüchen einen neuen Ausdruck geben und war damit nicht alleine. Es gab viele
00:12:04: Schulen, Künstlergruppen und Zusammenschlüsse in der Weimarer Republik,
00:12:08: die alle dasselbe Ziel hatten, die Suche nach dem Modernen. Also im Prinzip das
00:12:14: Neu-Affinden von neuen Formen für eine neue Zeit mit einem neuen Leben und
00:12:18: natürlich, was ich gerade gesagt habe, ist halt total wichtig. Weil das Bauhaus
00:12:21: war ein wichtiger Bestandteil einer Entwicklung, die sich offensichtlich gar
00:12:26: nicht mehr aufhalten ließ und die überall, so wie so ein Staudamm, der an
00:12:30: tausend kleinen Punkten gleichzeitig gebrochen ist und überall kam ja das
00:12:34: gleiche frische Wasser durchgeschossen. Das haben Sie sehr schön gesagt, tolle
00:12:37: Metapher. Ja, wenn ich jetzt dann doch mal über
00:12:40: Babylon Berlin nachdenke oder was uns daran so interessiert hat, Berlin war
00:12:44: halt jetzt, das ist ja auch nur stellvertretend, weil es sich hier so
00:12:46: gebündelt hat. Auch das war ja zu dem Zeitpunkt noch nicht mal in Berlin, ist ja
00:12:50: auch klar. Aber das ist eben, was ich so irrsinnig faszinierend finde und da ist
00:12:55: eben das Bauhaus tatsächlich auch nur ein Teil davon, ist wie parallel,
00:13:00: unabhängig, aber natürlich letztendlich auch so verbunden durch so eine enge
00:13:03: durch so einen gemeinsamen Ort hier in der Stadt Berlin zu sein, sich im
00:13:07: Prinzip eben hier alle Kunst- und Kulturformen über eine gleichzeitig
00:13:12: aufgebrochen haben und neu entwickelt haben und zu irgendwie ähnlichen oder
00:13:17: auch ein bisschen widersprüchlichen oder anders aussehen, aber doch sehr
00:13:21: ähnlichen Ergebnisse gekommen sind und das eben auf allen Ebenen gleichzeitig
00:13:24: mehr. Also letztendlich, ob man über Theater-Tanz redet, über die Bild-
00:13:29: sind Kunst, über Grafik, über sich Zeitungen, Bücher, Literatur, Mode, Musik,
00:13:36: ja Gott, ja, irgendwie so die ganze Stadt, die unabhängig getanzt hat von morgens bis
00:13:42: Abend. Dann darüber hinaus eben und das finde ich immer so ganz wichtig, dass
00:13:46: sich also vorzustellen eben, dass die eben so eine Stadt in der Größenordnung, in
00:13:50: der Form, in dieser Schnelligkeit Berlin gehabt, ja so, als die, also der typische
00:13:53: Berliner war halt laut, neugierig und schnell, das waren die drei wichtigsten
00:13:58: Begriffe, irgendwie so euch immer umvogeliehen fand ich ganz toll. Also doch ist das
00:14:02: neugierig. Aber eben schnell, schnell, schnell, aber man durfte niemanden
00:14:06: langweilen, irgendwie so durch lahmarschig. Mein Gott, ja, das ist ein
00:14:10: riesen Thema. Ich habe auch so viel über das gelesen, so ja, die ertagt, alles geht
00:14:14: zu schnell, man hat keine Zeit mehr. Ja, ja, bis hin zu Aitiktur, man hat keine
00:14:19: Zeit mehr, die kleinen Details ganz oben unter dem Dach, wenn man da schnell
00:14:23: vorbei braust, im Auto, da muss das auch schnell erkennbar sein. Genau, oder wenn
00:14:27: man, ich finde es immer so stark vereinfacht, aber wenn man sich eben
00:14:30: jetzt zum Beispiel auch den Expressionismus anguckt, irgendwie in seiner
00:14:33: Darstellungsform, wo es ja offensichtlich unter anderem darum geht, um eine
00:14:37: Überforderung des Menschen in dieser schnellen, großen und oft auch
00:14:41: sicherlich auch anstrengenden oder sogar feindselig empfundenen Umgebung, sich
00:14:46: da zu behaupten oder zu scheitern oder wie auch immer, das ist natürlich eine
00:14:49: Formsprache, wie im Expressionismus auch nur zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort so
00:14:55: entstehen kann oder konnte und eben nicht wegen mir Impressionismus anbieten
00:15:00: 30 Jahre vorher oder wie viel oder vielleicht 50 sogar irgendwie auf dem
00:15:03: Lande in Frankreich. Es ist ja nicht trennbar. Ich glaube, das ist das, worüber
00:15:08: wir ja eigentlich auch die ganze Zeit immer so ein bisschen miteinander reden
00:15:10: wollen, ist ja, dass man diesen musialen Außenblick verliert, wenn man einen
00:15:14: Verständnis entwickeln will, sondern sich ja wirklich in den Moment reinversetzen
00:15:18: will und sich die Leute ja nicht als Gipsbüsten vorstellt, die sie heute
00:15:23: sind, sondern irgendwelche Heinis, die halt um die Ecke gekommen sind, irgendwie
00:15:27: schlecht geschlafen haben und irgendwie, was sie nicht streit mit ihrer Freundin
00:15:32: hatten, um dann ins Atelier zu rennen, um irgendwie so einen Stuhl zu entwerfen.
00:15:36: Ja, ja, total. Ich finde das auch so wichtig. Ich finde, das ist eben bei
00:15:39: Geschichte ist es, wie wenn man Menschen kennenlernt. Dann will man auch erst mal
00:15:42: wissen, wo kommt der her, was hat der da vorgemacht und was ist eben seine oder
00:15:46: ihre Geschichte. Und gerade beim Bauhaus vergisst man das eben, wenn wir heute
00:15:51: diese krastige, ich nenn's jetzt mal ganz salopp, Schuhschachtel-Architektur
00:15:55: sehen oder so ganz minimalistisches Design. Das schockt uns ja heute nicht mehr.
00:16:00: Wir haben so viel davon gesehen. Es ist schwer vorstellbar, wie krass es für die
00:16:04: Leute damals gewesen sein muss, weil es eben, und jetzt kommen wir zu dem
00:16:08: spannenden Punkt, es war ein Bruch mit der Tradition. Wir nennen ja diese
00:16:13: Epoche, die Moderne. Wir haben Bauhausarchiv, wir schlagen uns viel drum mit
00:16:18: diesem Begriff "Modern", weil was in Gottes Namen heißt es eigentlich "Modern".
00:16:21: Es ist so einfach und so schwer zu fassen. "Modern" heißt erst mal nicht alt, aber
00:16:26: wie sich das dann fassen lässt in einem Geschmack, in einem Stil. Man muss ja
00:16:30: nämlich auch sagen, dass die Leute unterschiedlich drauf reagiert haben, also
00:16:33: auf all diese Veränderungen. Es gibt die Leute, die sehen sich dann mehr nach
00:16:37: der Vergangenheit? Ja, wenn ich das einwerfen darf, wenn sie sagen, die Leute haben
00:16:41: unterschiedlich drauf reagiert, ich glaube, dass ein stark überwiegender Teil der
00:16:45: Leute das erst mal ganz entsetzlich kann und das irgendwie abgelehnt haben. Das
00:16:49: darf man natürlich gar nicht vergessen, wenn man heute sich eben die
00:16:54: Bauhausklassiker oder wie auch immer, wenn man damit umgeht, dann wirkt das ja
00:16:57: hoch saturiert. Das steht halt dann irgendwie in der Rechtsanwaltswille,
00:17:02: irgendwie im Grünewald rum, der Kram, dass das aber mal
00:17:08: kurz vor subversiv war ist ja spannend. Ja ja, auf alle Fälle. Nicht nur kurz davor, also ich
00:17:12: glaube die Leute waren richtig gehend, fertig mit den Nerven, weil dieser Bruch mit, also eben in
00:17:18: so Zeiten, in unsichere Zeiten ist immer so ein komisches Wort, sagen wir in Zeiten volle Umbrüche.
00:17:23: Gibt es dann die, die sich so an dem alten festhalten und die, die sagen, hey nein, wenn sich jetzt so
00:17:27: viel ändert, können wir alles ändern. Und es ist ja auch spannend, dass in der Zeit der Heimatschutz
00:17:33: zum Beispiel entsteht. Und die ganzen rechten Ideologien über die müssen wir ja gar nicht
00:17:37: reden. Aber es war ja nicht nur das, es gab auch ganz großartige Künstler, zum Beispiel Arts and
00:17:42: Crafts in Großbritannien, William Morris und so weiter, die eben sehr progressiv waren, aber die
00:17:49: trotzdem die Fabrik abgelehnt haben, die weg wollten von der Industrialisierung und wieder
00:17:53: Entschleunigung und so. Wie es es ja heute auch noch gibt, gibt es auch Leute, die sich wünschen
00:17:58: würden, Internet wäre jetzt wieder weg. Und gerade das, weil sie das auch vorher gesagt haben,
00:18:03: das treibt mich auch immer so um. Wie ging es den Leuten mit diesem elektrischen Strom? Ich
00:18:08: stelle mir immer vor, es gab massig Leute, die sich damals dachten, was, Elektrizie, Elektrizie,
00:18:13: wie heißt das, dieser neumodische Kram, das will ich nicht haben, so wie damals im Internet. Das
00:18:18: setzt sich gar nicht durch, was soll das alles? Na ja, da gibt es natürlich tausend so Lustigkeit,
00:18:22: wie diese Testfahrt mit der ersten Dampf-Lock oder was von Nürnberg nach Fürtblib, irgendeine
00:18:28: berühmte Fahrt, wo die Mediziner davor gewarnt haben, dass halt der menschliche Körper oder
00:18:33: Organismus einen Tempo schneller als 25 Stundenkilometer gar nicht aushalten kann und sozusagen
00:18:38: daran Schaden nimmt und so weiter. Das ist spannend. Das zog auch immer wieder mal so auf,
00:18:45: als lächerliche Groteske von den ewigen Mannern. Aber andererseits gab es damals auch Leute,
00:18:52: die in der Industrialisierung haben, die dann versucht, die Erschöpfung zu erforschen als
00:18:56: Krankheit, weil die dachten, ey, wenn die Maschinen einfach so arbeiten können ohne Erschöpfung,
00:19:01: können wir das vielleicht auch. Und wenn wir alles möglich erforschen ändern können,
00:19:05: können wir das vielleicht auch. Und es gab dann alle möglichen, ich glaube, die haben sogar mit
00:19:10: Elektroschocks experimentiert und natürlich mit allen möglichen und dachten, das kann man jetzt
00:19:15: aus der Welt schaffen. Erschöpfung und Ermütung gibt es bald. Naja, ich meine, also diese Sachen sind
00:19:18: ja auch immer in so militärischem Kontext von Interessen. Wie kann der Mensch, wie kann die
00:19:23: Menschmaschine, das ja auch so ein wahnsinniges Thema, da könnten wir jetzt alleine den nächsten
00:19:27: Dreistellen übergeben, der zu idealisierende Mensch oder optionierende Mensch, wie kann
00:19:34: ein Soldat irgendwie besser funktionieren und all das, was Sie sagen. Ich habe aus dem Duden mal
00:19:39: eine Definition rausgesucht, was modern eigentlich heißt und das heißt eben der herrschenden Mode
00:19:45: oder der neuesten Mode entsprechend oder dem neuesten Stand der Entwicklung. Das ist eine ganz
00:19:50: schöne Definition, ne? Finde ich auch. Also das kann die geschichtliche Entwicklung, eine technische
00:19:56: Entwicklung, eine kulturelle Entwicklung und dann kann es einfach auch nur heißen, der neuen oder
00:20:01: neuesten Zeit zuzurechnen, also das, was jetzt gerade aktuell ist. Und dann gibt es noch, sagt der
00:20:07: Duden, an der Gegenwart ihrem Problemen und Auffassungen orientiert, dafür aufgeschlossen,
00:20:13: in die jetzige Zeit passen. Das müsste ich jetzt noch mal hören, wenn es um so geht. Ja, hört sich
00:20:20: auch sehr gut an. Also aufgeschlossen für das, was die Gegenwart mit all ihrem Problemen und
00:20:25: Auffassungen bietet. Das ist so ein bisschen das, was wir beim Bauhaus uns vorstellen, dass die sagen,
00:20:30: okay, was ist die neueste Zeit? Wir haben jetzt Maschinenzeitalter, die Gesellschaft hat sich
00:20:34: verändert, wir wollen jetzt nur noch diese Probleme lösen. Uns interessieren nicht mehr die alten
00:20:39: Schlässe und uns interessieren nicht mehr die Kirche. Ja, aber ich glaube, was sicherlich auch nicht
00:20:43: nur im Bauhaus oder von den Bauhäuslern bedacht oder überlegt wurde, aber dieser letztendlich
00:20:49: diese wichtige soziale Gedanke, also dass man eigentlich darüber redet, wie sich die Welt
00:20:54: gerade im Begriff ist, zu verändern. Und natürlich, was im Kunstgewerbe anfing zu sagen, also die gute
00:20:59: Form für jeder Mann an jedem Tag. Das ist glaube ich auch so ein Statement, ich weiß nicht, ob das
00:21:05: genau für aus dem Bauhaus kommt, passt aber natürlich genau. Und zu sagen, es geht ja darum,
00:21:10: dass eben 98 Prozent der Menschen an irgendwelchen selbstgemachten Wackeltischen in ihrer dunklen
00:21:17: Küche gehockt haben, etwas übertrieben, und die schönen Möbel oder die schönen Formen
00:21:23: nur den sehr wenigen vorbehalten. Das ist ja im Prinzip ein Demokratisierungsprozess. Im Grunde
00:21:29: sozialistischer Gedanke zu sagen, das galt ja letztendlich fürs Wohnen auch. Also wenn man sich
00:21:35: eben angeguckt hat, wie viele Menschen gelebt haben und eben die wenigen, die schön im Licht
00:21:41: mit Hygiene und mit Sanitär usw. gelebt haben, zu sagen, die Städte müssen sich ändern, das
00:21:47: ganze Miteinanderleben muss sich ändern. Und da kann oder da soll oder da muss die Form, diese
00:21:52: neue Form, die wir hier erfinden sozusagen ihren Beitrag leisten, eigentlich das Leben aller zu
00:21:58: verbessern. Das war ja heute über den Mann von einem holistischen Ansatz sprechen.
00:22:06: Die Gestaltung von Raumwelten war das Thema der Moderne und des Bauhauses. Mit neuen Möbeln und
00:22:14: neuer Wohnungseinrichtungen sollte ein modernes Leben möglich und im wahrsten Sinne des Wortes
00:22:20: greifbar werden. Leicht und flexibel, praktisch und gut, mit Formen und Materialien, die das
00:22:27: Maschinenzeitalter zum Ausdruck bringen. Das Markenzeichen des modernen Möbeldesigns sind
00:22:33: eindeutig die Stahlraumöbel, vor allem der berühmte Freischwinger, den wir ganz oft mit dem
00:22:38: Bauhaus assoziieren. Wie sehr Stahlraumöbel heute noch symbolisch für die Moderne sind,
00:22:44: sehen wir auch in einer Episode aus Babylon Berlin. Ich habe mit unserer Kuratorin gefachsimpelt,
00:22:51: weil bei Babylon Berlin das Polizeikommissariat, da gibt es ja auch Stahlraumöbel und gab es die
00:22:57: wirklich, wissen Sie das? Im Polizeipräsidium auf gar keinen Fall. Also unter gar keinen Umständen
00:23:03: hätte es es dort gegeben, also kann ich mir nicht vorstellen. Das ist eigentlich die Stahlrohrstühle,
00:23:09: spielten jetzt für uns in, das ist die Mordkommission, auch eine Rolle, aber die waren
00:23:14: nur Teil dieser Idee tatsächlich. Das ist eben so etwas, was wir dann machen oder gemacht haben
00:23:19: bei Babylon Berlin in einer Überhöhung, um etwas zum Ausdruck zu bringen. Also diese
00:23:24: ganze Mordkommission, also dieses Großraumbüro mit diesen Arbeitsgruppen sozusagen, wo da sitzt
00:23:29: ein Kommissar und die Assistenten oder wie auch immer zusammen und lösen die Fälle oder arbeiten
00:23:34: an den Fällen und es gibt diese große Lage, diesen großen Konferenz-Tisch und diese Modernität.
00:23:39: Im Prinzip haben wir mit voller Absicht sozusagen einen Raum oder einen Ort erfunden oder interpretiert,
00:23:45: um sozusagen eigentlich darauf hinzuweisen, dass eben die Mordkommission damals unter
00:23:51: dem Oberkommissar Gennert, der ja im Prinzip so der Miterfinder der modernen Krimineologie war
00:23:56: und tatsächlich eben in Berlin hier tätig, eine echte Figur, so eine relevante historische
00:24:02: Figur, der halt ein wahnsinnig moderner Geist war. Also auch da, wir reden ja die ganze Zeit über
00:24:08: Neuerungen und so weiter. Natürlich gab es auch in solchen Arbeitsfeldern, wurde etwas ganz neu
00:24:12: erfunden, die Polizeiarbeit, die es vorher gab, die muss irrsinnig, also zum Teil auch stupide
00:24:18: gewesen sein, wo Tatorte gereinigt wurden, bevor die Polizei gekommen, die Leichen ordentlich
00:24:23: hingelegt wurden und so weiter und so weiter. Also die Idee, dass man Spuren sucht oder dass man
00:24:28: irgendwie systematisch vorgeht, nach Motiven fragt und so weiter und so fort, das gab es tatsächlich
00:24:34: bis dato in dem Sinne auch nicht. Also auch hier große Neuerungen und dann haben wir gesagt,
00:24:39: wir geben dieser Mordkommission eine ultramoderne Abteilung, die ist weder architektonisch noch
00:24:45: über eine Idee hier in der Rotenburger Alexanderplatz damals hätte geben können und haben dann die
00:24:51: Schreibtische selber entworfen, die hatten so einen kleinen Artigo-Schlach, also hatten aber auch
00:24:56: was Bauhausiges und natürlich dann wie das Ganze mit Freischwingerstühlen irgendwie zu bestuhlen,
00:25:01: um letztendlich diesen modernen Raum zu charakterisieren, das war die Idee.
00:25:06: Ein Stuhl als Ausdruck eines progressiven Lebensgefühls, das mit der Tradition
00:25:15: bricht und den Schritt in eine neue Zeit wagt. Bis heute erzählen die Möbel der 20er Jahre diese
00:25:21: Geschichte des radikalen Umbruchs. Beide scheinen ja immer noch modern zu sein. Finden wir die 20er
00:25:29: Jahre so faszinierend, weil wir uns heute immer noch mit den Umbrüchen identifizieren können?
00:25:34: Unser Hauptziel oder die Hauptmotivation, warum wir uns mit diesem Thema so auseinandersetzen
00:25:40: wollten, war ja jetzt nicht irgendwie die feuchtfröhliche Geschichtsstunde über die
00:25:45: Weimarer Republik zu inszenieren, sondern zu sagen, schau mal wie interessant das damals vor
00:25:50: knapp 100 Jahren war und wie nah sozusagen nicht die uns sind, sondern wir denen. Und das war immer
00:25:58: so eine Idee davon zu sagen, auch im Erscheinungsbild der Serie. Natürlich machen wir die Zeitreise,
00:26:03: natürlich müssen wir und der Zuschauer das Gefühl haben, man sieht jetzt sozusagen diese Zeit,
00:26:07: die es nicht mehr gibt oder die eben schon so lange vorbei ist und eine Stadt, die es in der Form
00:26:12: nicht mehr gibt. Aber eigentlich war der geheime Plan dahinter immer auch ein bisschen zu sagen,
00:26:16: wir wollen einfach, dass man sehr schnell vergisst und das ganze viele Momente und Orte und im
00:26:20: Prinzip das Miteinander, was man dort erlebt, uns so vertraut und bekannt vorkommt und man immer
00:26:25: so, das könnte jetzt auch gerade heute sein, damit man die Vergleichbarkeit spürt. Und das ist
00:26:31: nicht immer ein bisschen harsh träubend, weil das ist nicht eins zu eins zu vergleichen. Wir befinden
00:26:36: uns jetzt nicht in einer Situation, die mit der Weimarer Republik 1924 oder 1929 wegen mir
00:26:41: irgendwie vergleichen lässt. Aber es gibt eben doch Zusammenhänge, die interessant sind. Ja,
00:26:47: auf alle Fälle. Strukturen, Mechanismen, also ich muss das ja sagen als Historikerin, weil natürlich
00:26:54: hat das immer eine Bewandtnis für die Gegenwart. Und in den 20ern eben, da gibt es wirklich viele,
00:26:59: viele Vergleichs, muss man einfach sagen. Ich glaube, das ist Ihnen ja auch gelungen,
00:27:03: wir haben einen Wettbecher. Ja, ich glaube, das muss man noch kurz vorbeisagen,
00:27:06: weil das wichtig ist aus unserer Sicht. Das ging sogar. Irgendwann habe ich dann so das
00:27:10: Gefühl gehabt, die mehr ich recherchier, musste zwar vorher schon relativ viel, aber dann lernt
00:27:14: man das wieder nochmal immer mehr und mehr. Habe ich so gemerkt, also es ist auch im Grunde genommen
00:27:19: eine Umarsch und ein Hut ziehen eigentlich vor der Größe unserer Großeltern oder Urgroßeltern,
00:27:25: wie immer man das jetzt rechnen will, wo man denkt, wir sind ja in einem Gefühl von extremer
00:27:31: Progressivität oder Aufgeschlossenheit oder wie sich die Welt mit uns oder um uns herum
00:27:37: entwickelt hat. Und dann guckt man eben gerade auf die kulturellen Rungen schaffen, sozusagen,
00:27:43: also dieser Zeit und merkt, wir sind quasi Babys, wir sitzen wie die Zwerge auf den
00:27:49: Schultern unserer Großeltern und fühlen uns da oben sehr, sehr groß. Und die waren nicht nur
00:27:54: krasser und radikaler und umfassender, zum Teil eben auch wahnsinnig viel begabter,
00:28:00: sondern das finde ich dann immer noch irrsinnig, also ich vorzustelle, die waren absolut die
00:28:04: ersten, die das jemals gemacht haben. Es gab es vorher nicht. Wir können ja auf
00:28:09: tausend Referenzen gucken und dann hier um die Rumexperimente rumhaben, da passiert immer noch
00:28:15: Dinge, die sozusagen neu sind. Aber ich glaube, die Art der Neuheit, die damals geschaffen wurde,
00:28:21: die ist für uns nicht nachvollziehbar. Ja, das stimmt, das ist wirklich so. Was Sie auch vorhin
00:28:26: gesagt haben, wie ganz doof, wenn man sich jetzt vorstellt, man malte jetzt irgendwie sozusagen
00:28:31: so ein Quadrat auf ein Stück Papier und behauptete, das ist ein Haus. Wenn man dann über den
00:28:35: Buch mit Tradition und so weiter redet, was das vor allem Skandal war, ja, wie irrsinnig das war,
00:28:41: ja, mein Lieblingsbeispiel ist ja immer noch aus der Grafik. Gibt es Schriftarten, die sozusagen
00:28:45: Familiennamen haben, so wie die Antique war und so weiter. Und die Serifenlosen, also die
00:28:50: schlichten Schriften, die es im Prinzip eben seit den zwanziger Jahren erst gibt, die heißen bis
00:28:56: heute, die Schriftfamilien, die heißen Groteskschriften. Und die heißen deshalb Groteskschriften,
00:29:00: weil man die früher Grotesk kennt, weil die eben so unverziert und so schlicht waren. Also
00:29:05: Helvetikas und Futuras sind all diese Schriften, die sozusagen keine Schnörgel haben, die heißen
00:29:09: in der Grafik sind das, die sagt man, also ich weiß ja, den Bügel voll den noch im Tagesgeschäft
00:29:15: benutzt, aber das sind die Familien der Grotesken. Das ist eine Beleidigung. Das kommt eben aus der
00:29:20: Zeit und das ist, glaube ich, das Niveau an Reflektionen darüber, was man eben sich vorstellen
00:29:25: muss. Ja, ja. Die waren Grotesk. Die waren Grotesk. Ich habe mich schon oft gefragt, warum, wieso
00:29:29: sind die denn Grotesk? Die sind doch normal. Genau, die sind heute normal. Das ist der heutige Blick.
00:29:34: Ja, genau, genau. Verrückt übrigens, dass Sie das jetzt sagen, dass wir wie die Zwerge auf den
00:29:39: Schultern unserer Großeltern sitzen, weil genau das wollte ich Ihnen jetzt noch vorlesen. Wir sind
00:29:44: Zwerge auf den Schultern von Riesen sitzend, um mehr und weiter als Sie sehen zu können. Von wie
00:29:49: ist das eigentlich? Das ist von Bernhard von Schadtre, aus dem 12. Jahrhundert, mittelalterlicher
00:29:54: Skolastiker. Also der wusste es schon. Der wusste es schon, ja. Ich hatte jetzt gehofft,
00:30:01: es wäre neigstens, hier jemand, die man kennt. Im Gegenteil, also das ist nämlich genau der Punkt,
00:30:07: weil ich glaube, also auch wenn das Bau ist natürlich auch vielen vorher aufgebaut hat,
00:30:12: aber das Spannende am Bau ist und der Moderne ist, dass die so einen Willen hatten, auf diese Riesen
00:30:18: zu verzichten. Die wollten lieber Zwerge sein, als auf den Schultern von alten Traditionen und
00:30:23: toten Konventionen sitzen. Und da habe ich noch ein schönes Zitat. Jetzt am Schluss kommen die Zitate.
00:30:29: Diesmal von Kandinsky, also jetzt sind wir beim Bauhaus. Und der meinte eben, dass ne Kunst, die
00:30:34: nur Kind ihrer Zeit ist und nicht Mutter der Zukunft, die ist nichts wert. Also es reicht nicht,
00:30:41: wenn ne Kunst den Zeitgeist völlig erfüllt, sondern es muss immer auch in die Zukunft weisen. Aber
00:30:46: wer weiß das schon? Ja, genau. Das ist der Punkt. Und da kann man jetzt lange diskutieren, haben die
00:30:51: Mittelalter auch schon gedacht, dass was wir hier machen, das wird in der Zukunft noch für Jahrhunderte
00:30:56: genauso bleiben, die denken auch in die Zukunft. Oder fängt es erst mit der Moderne an, wo die
00:31:01: sagen, die Zukunft, das Wilde, Neue und es werden das Gegenteilige Dinge. Ja, ja, ja, das verstehe
00:31:06: natürlich. Und das hat ja auch was damit zu tun, was Sie vorhin angesprochen haben, ist, dass das
00:31:10: ja auch eine Zeit der kurzlebigen Trends tatsächlich war. Also dass dieses Tempo und dieses jetzt
00:31:15: und das ist noch mal ein Neuer und ein Neuer als Neuer und so weiter. Und das war sicherlich was,
00:31:19: was die als Phänomen umgeben und auch genervt hat und dass der Satz uns dann ganz stark daherkommt.
00:31:25: Aber natürlich kann man ja in Wahrheit dieses Urteil dann auch erst wieder den Kind dann oder
00:31:31: Enkel dieser Mutter, von der man jetzt spricht, überlassen. Und dann ist man ja zum Glück nicht
00:31:35: mehr dabei. Ja, es ist schon irgendwie auch ein bisschen vermessen, das muss man auch sagen. Und
00:31:40: vor allen Dingen, ich frag mich dann, was heißt es? Also heißt es, die Kunst der Zukunft schaut dann
00:31:46: genauso aus. Bleibt dann so, so wie bei den Ägypten. Jahrtausende Jahre. Ich verstehe es fast ein
00:31:51: bisschen, wie offen er zu sagen, also das, was man sich jetzt sozusagen Neue ausdenkt, sollte die
00:31:55: Kraft haben, sozusagen noch in die Zukunft so stark reinzustrahlen, dass sie da was bewirkt
00:32:01: oder so auslösen weiter. Ja, wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass so eine abstrakte,
00:32:06: künstlerische Kraft, die man gar nicht so benennen kann, irgendeine Magie, die so stark ist, dass
00:32:11: sie auch noch in die Zukunft reichen kann. Ja, ich meine, wir reden jetzt hier die ganze Zeit ja
00:32:15: auch sehr positiv verklärend über all das. Also zu Recht, weil ich mein, abgesehen davon ist es
00:32:20: natürlich auch eine Bande von männlichen Monsteregos gewesen, die da irgendwie aufeinander gehockt haben
00:32:25: und wie halt die Weltmeister ihres Fachs waren und eben sich auch ein bisschen bewusst waren,
00:32:30: dass sie gerade etwas auf hinten, was es noch nicht gibt oder gab und da jeder Strich dann irgendwann
00:32:36: auch heilig war oder so. Da konnte man dann natürlich auch groteske Momente erleben. Das war
00:32:41: wieder bei der Groteske. Ja, ja, wundervoll. Sehr schön den Bogen gespannt. Und damit endet unsere
00:32:48: heutige Zeitreise. Ob das Bauhaus als Mutter der Zukunft haugt oder ob es das Werk alter weiße
00:32:55: Männer mit großen Künstleregos war, werden wir in den nächsten Folgen herausfinden. Gemeinsam
00:33:01: mit meinen Gästen werden wir die größten Mythen des Bauhauses entlarven. Weiter geht es
00:33:09: nächstes Mal mit dem größten Star des Bauhauses, dem Stahldrahrstuhl. Zusammen mit Christine Bartels,
00:33:16: Kuratorin am Bauhausechief Berlin, sprechen wir über den prominenten Freischwinger und
00:33:21: die Stahldrahrmöbel am Bauhaus. Ich bin schon sehr gespannt und würde mich freuen, wenn ihr
00:33:26: zur nächsten Folge wieder einschaltet. Dann könnt ihr jetzt in den Feierabend gehen. Das
00:33:34: machen wir. Das ist so ein sehr schönes Gespräch. Vielen Dank, Hannes. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
00:33:38: Das war "About Bauhaus", der Podcast des Bauhausarchiv, Museum für Gestaltung Berlin. Abonniert
00:33:51: unseren Podcast auf Amazon Music, Spotify, Apple Podcast, Deezer und überall wo es Podcast gibt.
00:33:58: "About Bauhaus", eine Produktion des Bauhausarchiv, Museum für Gestaltung Berlin und der auf die Ohren
00:34:04: GmbH.
Cathrin Odeya - Okelani
‧Elke
‧