S01E02 Wie ein Stuhl die Welt verändert: Möbeldesign und Stahlrohr am Bauhaus
Shownotes
Die Bauhaus-Stahlrohrmöbel, allen voran der berühmte Freischwinger, zählen zu den beliebtesten Objekten des Bauhaus-Archivs / Museum für Gestaltung und gelten als Ikonen des modernen Möbeldesigns. Doch wie modern waren diese Möbeln aus Stahlrohr wirklich? Und welche Vorstellung von modernem Wohnen und Leben wurde damit verknüpft? Im Gespräch mit der Kuratorin Kristin Bartels beleuchten wir in dieser Folge die Entstehungsgeschichte(n) der Stahlrohrstühle und gehen einem Mythos auf den Grund.
Credits: Host: Adriana Kapsreiter Schnitt: Niklas Münch Story/Konzept: Adriana Kapsreiter, Astrid Bähr, Niklas Münch, Lena Günther, Lukas Klaschinski Produktion: Auf die Ohren GmbH Projektleitung Auf die Ohren: Niklas Münch Projektleitung Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung: Esned Nezic
Transkript anzeigen
00:00:02: Das Bauhaus, weltberühmte Kunstschule der zwanziger Jahre, Mythos der Moderne.
00:00:07: Doch
00:00:08: was steckt hinter der Legende?
00:00:10: About Bauhaus, der Podcast des Bauhausarchiv, Museum für Gestaltung Berlin, geht dieser Frage auf den Grund.
00:00:21: Herzlich willkommen zur zweiten Folge von About Bauhaus.
00:00:24: Mein Name ist Adriana Kapshalter und ich freue mich, euch heute wieder in die Bauhauswelt mitnehmen zu dürfen.
00:00:30: In der letzten Folge habe ich mich mit dem Szenenbildner Uli Hanisch auf eine Zeitreise in die Goldenen-Ninzehnzwanziger begeben.
00:00:37: Wir haben darüber gesprochen, wie man damals lebte und wohnte, wie viele Umbrüche es gab und wie daraus die Moderne entstand.
00:00:45: Diese Epoche der Zwanzigerjahre, zu der wir auch das Bauhaus zählen.
00:00:50: Aber wie modern war das Bauhaus wirklich?
00:00:54: Heute wollen wir einen ganz genauen Blick auf diese Frage werfen und einen Star des Bauhausdesigns unter die Lupe nehmen.
00:01:00: dem berühmten Stahlrohrstuhl, Ikone des modernen Möbeldesigns.
00:01:05: Wie ein Stuhl die Welt verändert, ist heute der Titel unserer Folge und ich habe dafür meine Kollegin vom Bauhausarchiv Christine Bartels eingeladen.
00:01:12: Sie ist eine von drei Kuratorinnen an unserem Haus.
00:01:15: Christine arbeitet gerade daran, wie unsere Sammlung im neue Museumsgebäude zum ersten Mal präsentiert werden soll.
00:01:23: Liebe Christine, du bist eine unserer Expertinnen für die Bauhaus-Sammlung und kennst natürlich auch die Stahlrohr-Möbel des Bauhauses mit all ihren Mythen.
00:01:31: Deshalb wollen wir gleich direkt einsteigen.
00:01:34: Wie modern war es denn zu Bauszeiten eigentlich, Möbel aus Stahlrohr zu entwerfen?
00:01:38: Ich glaube Stahlrohr war vor allen Dingen ein industrielles Erzeugnis, mit dem dann ab den zwanziger Jahren vermehrt auch experimentiert wurde.
00:01:46: Aber das heißt natürlich nicht, dass das Stahlrohr in den zwanziger Jahren vollkommen neues Material war.
00:01:50: Erst recht nicht in der Möbelherstellung.
00:01:52: Natürlich ist Holz eigentlich das bevorzugte Material, wenn man Möbel designt.
00:01:56: Aber es gab im neunzehnten Jahrhundert schon Versuche für Gartenstühle, Terrassenstühle, für Krankenhausbetten, weil Stahl auch als sehr Hygienisch galt, leicht zu reinigen.
00:02:08: Auch ein leichtes Material im Vergleich zu Holz, brennt auch weniger.
00:02:12: Also es ist kein neues Material.
00:02:13: In dem Sinne, was neu ist, dann in den zwanziger Jahren ist es, dass es dann erstmals in die Wohnzimmer kommt.
00:02:18: Ich dachte ja ehrlicherweise auch am Anfang, ja, Stahlrohr mögelt.
00:02:22: Das wurde sozusagen am Bauhaus erfunden.
00:02:25: Aber das stimmt gar nicht.
00:02:25: Das Material ist schon länger in der Welt.
00:02:27: Genau.
00:02:28: Vereiningheit auch für die Verkehrsmittelindustrie.
00:02:30: Das habe ich jetzt vergessen zu erwähnen.
00:02:31: Also wenn es um Flugzeuge geht, um Autos, ist natürlich Jal auch ein sehr dankbares Material.
00:02:37: Und gerade bei Flugzeugen hat man auch geguckt, dass man leichte Sitze drin hat.
00:02:40: Da hatten wir auch hier mit Aluminium zum Beispiel experimentiert.
00:02:43: Und natürlich ist auch Holz, wie gesagt, nicht so clever.
00:02:45: Wenn das Fahrzeug dann doch brennen sollte, dann ist vielleicht Holz nicht die
00:02:49: beste Wahl.
00:02:49: Stimmt, klar.
00:02:51: Ja, man vergisst das.
00:02:52: Die Leute vorher haben in sehr schweren Holzeinrichtungen gewohnt.
00:02:56: Auch viele Einbauschränke, riesige, schwere, wuchtige Komoden.
00:03:00: Also die Idee, dass ein Möbel mobil ist, war gar nicht unbedingt so angesagt.
00:03:05: Wer Geld hat, hat sich eine schicke Einrichtung für ein Zimmer machen lassen.
00:03:09: Und da wurde dann auch nichts geändert.
00:03:11: Und wenn dann irgendwie der Holzwurm drin ist und die Stoffpolsterung schon nicht mehr so schön aussieht, ja.
00:03:17: Holz war auch einfach repräsentativ.
00:03:18: Und das ist ja auch das Spannende, dass dann plötzlich Mitte der zwanziger Jahre plötzlich Stahl ins Wohnzimmer kommt.
00:03:24: Also ins Wohnzimmer, vor allem.
00:03:25: Wie gesagt, davor wurde es halt genutzt, gerade für technische Geräte, Autos und so weiter, aber auch für Kasernen und der gleichen.
00:03:32: Also alles, was eigentlich auch nicht unbedingt die Repräsentationsorte sind.
00:03:35: Das war halt irgendwie praktisch, ein praktisches Material.
00:03:39: Und plötzlich wird es dann ... zu einem repräsentativen Material.
00:03:42: im heiligen Wohnzimmer des Bürgertums ist dann plötzlich steil vorhanden.
00:03:46: Und das ist natürlich auch eine ganz spannende Geschichte.
00:03:49: Ja, eigentlich auch irgendwie radikal, oder?
00:03:51: Also man bringt was in die Wohnung, was überhaupt nicht Wohnung erzählt und das war ja dann auch für Stahlrohr ein Problem.
00:03:59: Es hat halt dieses kühle, kalte, glänzende, das eben eigentlich nicht Wohnlichkeit erzählt.
00:04:04: Aber das fanden die ja nun am Bauhaus gerade so spannend.
00:04:08: Ein neues Material, was praktisch war, was leicht war, was leicht zu reinigen war.
00:04:14: Es wurde ja auch am Bauhaus ganz viel über das Sitzen nachgedacht.
00:04:16: Es wurde auch geschaut, dass man bequem sitzt zum Beispiel.
00:04:20: Und nicht aber mit Polstersesseln zum Beispiel, weil Polstersesseln wie gesagt schwer, dass Polster verdreckt leicht.
00:04:25: Es können sich auch gut umgeziefer drin verbergen.
00:04:27: Das alles ist beim Stallrohr nicht gegeben.
00:04:29: Und man kann es natürlich auch industriell produzieren lassen und konnte natürlich hoffen.
00:04:34: dass man dann viel und vor allem billig produzieren kann, was natürlich dann auch nicht ganz so geklappt hat, wie man sich das vorgestellt hat.
00:04:40: Aber das war auch nochmal eine Komponente, die... aus Sicht des Bauhauses für das Stahlrohr-Sprach.
00:04:45: Ja, eben, da sind wir auch schon bei wesentlichen Bauhausthemen, einerseits Industrie natürlich und dann grundsätzlich das Neue, der Blick nach vorne und eben nicht der Blick zurück, sondern Neuanfänge, nicht all diese Stuhlformen, die es schon tausendmal gab.
00:05:00: Daran denken wir, wenn wir an Stahlrohr-Möbel denken.
00:05:03: Und wir denken, wenn es ums Bauhaus geht, auch an einen speziellen, ich nenn's mal Stahlrohr-Held.
00:05:09: Also es gibt einen Bauhaus, der wirklich ... sich sehr mit Staldor befasst hat.
00:05:14: Und das war Marcel Breuer.
00:05:16: Marcel Breuer ist auch eine ganz faszinierende Figur des Bauhauses und auch einer der wichtigsten Bauhäuslerinnen, würde ich mal behaupten.
00:05:23: Also Marcel Breuer kam relativ früh ans Bauhaus.
00:05:26: Er kommt ursprünglich aus Ungarn, hat in Wien bildende Kunst studiert.
00:05:30: Das fand ich sehr spannend und ist dann ans Bauhaus gekommen, um dort in der Tischlerei-Werkstatt was zu lernen, die damals auch unter dem bildenden Künstler Johannes Itten.
00:05:38: Also Holz eigentlich.
00:05:40: als von dem Bildendenkünstler Johannes Itten geleitet wurde.
00:05:43: Und fing dann halt an, sich dann vermehrt mit Holz natürlich zu beschäftigen.
00:05:47: Gerade in der Anfangsphase des Bauhauses in Weimar war natürlich auch Holz das Material.
00:05:51: Das Bauhaus hatte auch eine ganz gute Verbindung zur Holzindustrie tatsächlich durch Adolf Sommerfeld, aber das ist noch mal eine andere Geschichte.
00:05:57: Ja, und Marcel Breuer hat sich also dann diesem völlig neuen Material angenommen.
00:06:03: Und wir haben auch da schon mal drüber gesprochen.
00:06:05: Der hatte es ja auch wirklich mit den Junkerswerken, also mit einer Flugzeugfirma, könnte man sagen, zusammen entwickelt.
00:06:11: Die hatten Interesse dran, sehr leichte Stühle für ihre Flugzeuge zu haben.
00:06:16: Und Marcel Breuer hatte offensichtlich ein Interesse dran, sich mit diesem neuen Material zu befassen.
00:06:20: Das ist natürlich auch ein spannender Gedanke.
00:06:22: Diese ersten Stahlrohrmöbel sind in den Junkers entstanden.
00:06:25: Das ist auch das Jahr, wo das Bauhaus von Weimar nach Dessau zieht.
00:06:29: Und Dessau natürlich auch eine Industriestadt mit den Junkerswerken.
00:06:32: Und plötzlich hat man natürlich auch ganz andere Möglichkeiten und ein ganz anderes Material, mit dem man experimentieren kann.
00:06:39: Und das hat natürlich auch Marcel Breuer dann aufgegriffen.
00:06:41: Ja,
00:06:42: Experiment ist ja immer so ein schönes Bauhaus-Schlagwort.
00:06:45: Aber Marcel Breuer hatte ja schon auch Ahnung vom Möbelbauen.
00:06:48: Also ganz so ist es nicht.
00:06:49: Natürlich, ja.
00:06:50: Also hat er sich wirklich sehr auseinandergesetzt damit, was ist so ein Stuhl?
00:06:54: Und interessanterweise hat er einen Club-Sessel entworfen, der sehr berühmt geworden ist.
00:06:59: Also das passt perfekt, weil du gesagt hast, ja auch, es geht hier um was Repräsentatives.
00:07:03: Es entwürft nicht einfach so einen normalen Estestuhl, sondern es ist wirklich so ein schicker Hotel, so ein Sessel irgendwie.
00:07:11: Und der ist ganz aus Stahlrohr und das ist eigentlich radikal.
00:07:15: Der Stuhl hat schon viel Punkten.
00:07:17: Der Stuhl ist
00:07:17: auf jeden Fall radikal.
00:07:18: Genau.
00:07:19: Also wenn man den Zeitkontext betrachtet, das ist das, was ich vorhin auch schon gesagt habe, dass jetzt plötzlich Stahl ins Wohnzimmer gerät und dann auch noch bei so einem repräsentativen Möbel wie der Sessel.
00:07:27: Der Sessel, der halt wirklich, also niemand stellt sich den hässlich.
00:07:31: bzw.
00:07:31: jeder möchte sich einen schönen Sessel ins Wohnzimmer stellen, der auch bequem ist, dafür natürlich Steilrohr zu wählen.
00:07:37: Das ist auf jeden Fall eine Neue herum.
00:07:38: Ich habe gelesen, dass dieser Club-Sessel von Marcel Breuer wurde dann vom Bauhaus der Abstraktestuhl genannt.
00:07:44: Also das ist auch wieder spannend, weil dieser Club-Sessel nimmt ja so Linien auseinander, setzt diesen repräsentativen Sessel auf Kufen und es ist so bisschen destruiert alles und neu zusammengesetzt.
00:07:57: Und das war tatsächlich auch für die Avant-Gang.
00:08:00: Also andere Künstler dieser Zeit fanden das wahnsinnig aufregend und haben das auch als sehr will, sozusagen, empfunden.
00:08:07: Auf jeden Fall, ja.
00:08:09: Ich habe dann wunderschönes Zitat gefunden von Kurt Schwitters von dem Data-Künstler.
00:08:14: Genialität ist Sicherheit im Arbeiten mit neuen Dingen.
00:08:18: Aber ganzes sicher war es gar nicht am Anfang bei Marcel Breuer.
00:08:21: Das gab eine Entwicklung, stimmt es, diese Stahlraumöbel, der hat nicht einfach so den perfekten Klubsessel dahin gebaut.
00:08:29: sondern die mussten rumprobieren.
00:08:30: Die mussten auf jeden Fall rumprobieren, auf jeden Fall.
00:08:33: Was ja auch an diesem Sesse so faszinierend ist, ist, dass er tatsächlich auf das Sitzen eingeht.
00:08:36: Also es wurde versucht, eine Form zu finden, die auch das Sitzen so angenehm wie möglich macht.
00:08:40: Also der hat zum Beispiel auch eine schräge Sitzfläche.
00:08:42: Also wenn man sich reinsetzt, rutscht man praktisch mit dem Hintern nach hinten.
00:08:45: Und das ist dafür da, damit die Oberschenke entlastet werden.
00:08:48: Und also Gedanken sind in diesen Stuhl hineingeflossen.
00:08:51: Das ist natürlich auch etwas, was neu ist, dass man halt wirklich diesen ergonomischen Charakter versucht, einfach bei dem Möbel mitzudenken.
00:08:57: Was ich noch ergänzen möchte, was ich vorhin vergessen habe zu sagen, natürlich hat Marcel Preuer eine klassische Tischler-Reiausbildung.
00:09:03: Also er hat das gelernt, er ist als Lehrling ans Bauhaus gekommen, hat nineteenhundertzwanzig dann seinen Gesellenbrief bekommen sozusagen und ist neunzehntundzwanzig.
00:09:11: Als er diesen Stuhl entworfen hat, war er dann sogar schon einer der Jungmeister des Bauhauses, der dann praktisch selber dann lehren konnte.
00:09:18: Also er war auf jeden Fall sehr qualifiziert.
00:09:22: Ja, jetzt ist aber so spannend an Marcel Breuer, dass der ja nicht sozusagen mit einem Stuhl oder mit einem Sessel aufhört.
00:09:28: Marcel Breuer stellt sich eigentlich ganze Wohnungseinrichtungen vor in Stahlrohr.
00:09:33: Und das wird auch gerne aufgegriffen vom Bauhaus.
00:09:36: Also, Marcel Breuer ist nicht der einzige, der für Stahlrohr schwärmt, sondern es wird auch, ja, denkst du, man könnte sagen, es wird propagiert, dass das das Moderne
00:09:45: ist?
00:09:45: Auf jeden Fall.
00:09:46: Auf jeden Fall.
00:09:46: Also, das Bauhaus nutzt das auch gezielt.
00:09:48: Also, wenn man daran denkt, Das Bauhaus ist von Weimar nach Dessau gezogen und hat dort die Möglichkeit, in Dessau ein eigenes Schulgebäude zu errichten.
00:09:58: Dieses Schulgebäude wurde dann, december, und die gesamte Inneneinrichtung wurde auch von der Tüchelereiwerkstatt und generell von den Werkstätten des Bauhauses gestellt.
00:10:11: In der Aula gab es Theaterstühle aus Strahlrohr, die man zusammenklappen konnte.
00:10:16: In der Mensa, in der Kantine gab es dann diese... berühmten Stahlhocker, die man heute kennt.
00:10:21: Also es wurde schon auch gezielt.
00:10:23: mit Stahlrohr dann in dem Sinne geworben.
00:10:25: Allein diese Eröffnung war auch wahnsinnig publikumswirksam.
00:10:28: Es kamen sehr, sehr, sehr viele Gäste auch im Vorfeld schon.
00:10:31: Also Isekropius, die Ehefrau von Walter Kropius, berichtet von wahnsinnig viel Besuch.
00:10:35: Sie berichtet auch, dass natürlich die Presse über das neue Bauhausgebäude und die In-Einrichtung berichten will.
00:10:41: Und das Lucia Moholy, das ist sozusagen die Bauhausfotografin, gar nicht mehr hinterherkommt mit Fotos machen, um diese Presse an Fragen letztendlich bedient zu können.
00:10:50: Generell von diesem Gebäude existieren auch zahlreiche Posten.
00:10:53: und der Gleiches wird ganz viel Werbung damit gemacht, ganz viel darauf eingegangen.
00:10:57: Und dann ist das natürlich auch eine gewisse Öffentlichkeit für das Stahlrohrmöbel.
00:11:00: Die
00:11:00: kommen dann alle da in dieses neue öffentliche Schulgebäude, weil die neugierig sind.
00:11:04: Ja,
00:11:04: natürlich.
00:11:04: Die
00:11:04: wissen schon, oh, da passiert was Neues, die machen was ganz anderes.
00:11:07: Ein Schulgebäude im neuen Bauen.
00:11:10: Und dann ist da plötzlich dieses glänzende Material.
00:11:12: Also es hat ja irgendwie eine schöne Optik und hat ja eben auch was von Silber, was von Hochwertig.
00:11:17: Aber die Leute kennen es aus einem anderen Kontext und das macht so verrückt, dass man den Kontext neu gefunden hat.
00:11:23: Also das weiß ich nicht hundertprozentig, aber ich könnte mir vorstellen, im Schulgebäude selber nicht so überrascht, weil es ja vorher auch schon für solche öffentlichen Gebäude wie zum Beispiel Krankenhäuser und dergleichen benutzt wurde.
00:11:34: Aber parallel zu diesem Schulgebäude wurden ja auch die Meisterhäuser eröffnet, die natürlich auch ganz viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.
00:11:40: Und gerade das Meisterhaus in dem Weiterkropius und diese Kropius gelebt hatten war natürlich auch eigentlich ein Ort der Öffentlichkeit.
00:11:48: Es wurde sogar ein Film gedreht, um dieses Meisterhaus zu zeigen und dieses neue Wohnen zu dokumentieren.
00:11:55: Und in diesem Meisterhaus, wo jetzt praktisch Herr und Frau Kropius gelebt hatten, sind eigentlich die ganze Bandbreite von Preuers Möbeln vertreten.
00:12:02: Das ist ganz interessant.
00:12:03: Also diesen Film gibt es übrigens auch online einzusehen, also auf Vimeo.
00:12:07: Dann weiß man, wovor ich spreche, wenn man gleich dazu ein Bild haben möchte.
00:12:10: Und der heißt, wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?
00:12:13: Das ist der Titel genau.
00:12:14: Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?
00:12:15: Ein etwas schwieriger Titel, aber man findet es auf jeden Fall online.
00:12:18: Und auf jeden Fall sieht man dann, wie Isel Gropius durch die Wohnung führt.
00:12:21: Und dann gibt es dann im Esszimmer den ganz normale Esszimmerstühle-Ausstahl.
00:12:26: Dann geht sie weiter und zeigt den Hocker, auf den sie sitzt, an ihrem Schreibtisch.
00:12:32: Dann sieht man diesen Hocker wiederum in einem Zimmer neben dem Bett als ein Abstelltisch.
00:12:37: Also da sieht man auch diese Multifunktionalität, der Hocker, der dann nicht nur Hocker ist, sondern auch ein Abstelltisch.
00:12:42: Tisch sozusagen und dann geht man ins Wohnzimmer und dann sieht man dann eine Liegecouch mit Stahlrohr, Bein.
00:12:48: Diese Liegecouch wird dann zur Clubcouch, also auch schon wieder diese Funktionalität, die hervorgehoben wird.
00:12:53: Und natürlich darf der Klubsessel nicht fehlen.
00:12:55: Also der Klubsessel, von dem wir eben gesprochen haben, ist dann halt auch im Wohnzimmer des Bauhauses schlechthin, nämlich im Wohnzimmer von Walter und Isekropius, wo natürlich auch sehr viele Gäste, internationale Gäste auch ein- und ausgehen.
00:13:06: Ja,
00:13:06: ja, davon haben wir auch sehr viele Fotos.
00:13:08: Wenn ich mich recht erinnere, zeigt Isekropius sogar, dass man einen Stahldurchstuhl in einem Finger um die Achse drehen kann und zu zeigen, wie leicht er ist.
00:13:16: Und der Titel ist zwar sperrig, aber es ... wirklich interessant.
00:13:20: Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?
00:13:24: Also diese Idee von wirtschaftlich meint praktisch, effizient.
00:13:29: Das ist das, was wir heute oft meinen, auch mit Funktional.
00:13:32: Es geht da nicht unbedingt zu sehr um günstiges Wohnen, weil die Stahlraumöbel waren zwar eigentlich angedacht, dass sie mal in Serie gehen und zu einem kleinen Preis zu haben sind.
00:13:42: Aber
00:13:43: wenn ich es recht in Erinnerung habe, war das am Anfang nicht ganz so leicht.
00:13:47: Die konnten eigentlich nur die Mittel Oberschicht konnte sich diesen Stuhl leisten.
00:13:51: Und deshalb eben, weil der Grupphörser dann vielleicht auch versucht, genau diese Leute anzusprechen und eben zu sagen, das ist jetzt nicht nur wirtschaftlich, das macht Sinn, das ist leicht, diese Idee, das ist ein Möbelmobilis eben, damit will er sagen, Das ist, weil wir zu leben.
00:14:06: Wir haben mobiles Leben, wir sind flexibel, wir reisen mehr, wir bewegen uns schneller, wir haben Auto, wir haben Flugzeuge, alles Neuerungen.
00:14:14: Und die Idee war ja irgendwie, einen Ausdruck dafür zu finden, eine Form, ein Material und auch ... Lifestyle-Gefühl für genau diese Zeit.
00:14:25: Und das ist ja auch das, was übers Bauhaus dann immer gesagt wird, dass die Versuchenden Zeitgeist aufzunehmen und nicht zurückzuschauen.
00:14:31: Aber es bleibt natürlich die Frage, ist es Propaganda?
00:14:35: Ist das brillantes Marketing?
00:14:37: Ist das, also wie ist da das Verhältnis?
00:14:40: Diese Filme sind ja wirklich angelegt dafür, zu zeigen, wir am Bauhaus, wir haben das vielleicht auch erfunden.
00:14:46: Das steckt ja da auch so ein bisschen drin, das ist unser Ding.
00:14:48: Natürlich, es ist ein Lehrfilm und es war auch als Lehrfilm gedacht und natürlich sollte damit auch Werbung für das Bauhaus gemacht werden.
00:14:55: Also das ist ja sowieso ganz... faszinierend und glaube ich auch die große Stärke des Bauhauses und der Bauhausdirektoren, dass sie auch einfach sehr gekonnt Werbung gemacht haben für ihre Schule und für ihre Produkte.
00:15:06: Und da gehört natürlich dieser Film dazu.
00:15:07: Zumal ja auch der Film ein relativ neues Medium ist.
00:15:09: Also ist ja sozusagen eine doppelte Werbung.
00:15:12: Man macht nicht eine Werbung für die neue Architektur und für das neue Möbel, sondern man nutzt auch ein sehr neues Medium, was erst seit relativ kurzer Zeit auch für eine größere Öffentlichkeit zugänglich war, plötzlich den Film sozusagen.
00:15:24: Interessant finde ich ja auch.
00:15:25: dass nicht Walter Gropius diese Stahlrohrmöbel präsentiert, sondern seine Frau macht
00:15:30: das.
00:15:30: Genau, genau.
00:15:31: Das ist ja sowieso ganz interessant.
00:15:33: Also man muss ja auch vielleicht erzählen, dass als diese Stahlrohrmöbel auf dem Markt kam, war es jetzt nicht so, dass sich die ganze Bevölkerung Deutschlands jetzt plötzlich um diese Möbel gestritten hätte.
00:15:42: Also die kamen gar nicht so gut an am Anfang.
00:15:44: Dieser Hype um die Stahlrohrmöbel kommt dann erst Ende der Zwanziger und er leistet natürlich auch die Hausfrauen.
00:15:49: Die Frauen, die die Wohnungen einrichten, einen ganz großen Beitrag.
00:15:53: Also gerade diese Möbel werden auch ganz viel in Wohnzeitschriften abgedruckt, in Hausfrauen, also die heißen so Hausfrauen, Zeitschriften abgedruckt.
00:16:00: Und natürlich ist es ja auch die Frau, die entscheidet, welche Möbel in die Wohnung kommen.
00:16:04: Ja, lustigerweise.
00:16:05: Die Männer haben es entworfen sozusagen, aber die Frauen suchen es aus.
00:16:09: Obwohl
00:16:09: es, um das nochmal zu ergänzen, es gibt natürlich auch Frauen, die Stahlrohr Möbel entworfen haben, also Eileen Cray, Charlotte Perry.
00:16:15: Aber nicht unbedingt am Bauhaus?
00:16:17: Nicht
00:16:17: am Bauhaus, leider nicht am Bauhaus.
00:16:19: Ziemlich später dann Lilly Reich, die ja dann später am Bauhaus auch Meisterin war.
00:16:24: hat auch Starror Möbel entworfen.
00:16:26: Ja, also Walter Gruppius hat das sehr, sehr mitgedacht.
00:16:28: Es gab dann auch Das hieß auch damals, es klingt schläglich in unseren Ohren, heute Hausfrauenverein.
00:16:35: Ja, Hausfrauenverein.
00:16:37: Hausfrauenladies, die dann auch durch das Meisterhaus geführt wurden.
00:16:41: Das war eine Art Musterhaus.
00:16:43: Walter Gropius wollte zeigen hier, das ist die Essenz unserer Version über modernes Leben, was das Bauhaus sein könnte.
00:16:50: Es gibt Industrie, aber es ist trotzdem schick und es ist neu und so weiter.
00:16:55: Und das war eigentlich auch schlau überlegt, dass man dann versucht ... eine Brücke zu bauen, auch zu den Leuten, die das dann am Ende des Tages kaufen sollen.
00:17:06: Trotz aller guten Promotions, wie man heute wahrscheinlich sagen würde, die Stahlrohrmöbel des Bauhauses wurden damals nicht wirklich ein massen Produkt.
00:17:15: Heute hingegen finden wir überall Möbel aus Stahlrohr, auch zu einem moderaten Preis, zumindest die Bootleg-Versionen.
00:17:23: Die berühmtesten Designs, auch die des Bauhauses, sind auch heute noch ziemlich teuer, dennoch.
00:17:28: Das Material hatte Möbeldesign seinen festen Platz, ist nicht mehr besonders radikal, stattdessen gibt es endlos viele Entwürfe und Variationen.
00:17:37: Unter all diesen Stahlrohrstühlen leuchtet ein Modell trotzdem noch heute heraus.
00:17:42: Der berühmte Freischwinger, der Stuhl ohne Hinterbeine, der Superstar unter den modernen Stühlen und ganz oft als der Bauhausstuhl aufgefasst.
00:17:53: Und an dieser Stelle muss ich mich outen.
00:17:55: Ich habe auch zwei dieser Freischwinge, Erbstücke von meiner Oma.
00:17:59: Ein schreckliches Klischee, oder?
00:18:02: Aber ich mag die Stühle, sie sind sehr bequem und das leichte Wippen ist angenehm.
00:18:06: Außerdem ist das Design ein bisschen anders.
00:18:09: Die Sitzfläche und die Rückenlehne meiner Stühle sind nicht mit Leder- oder Stoffbespann, sondern mit Helmkorbgeflecht sowie bei Wiener Caféhausstühlen in abgerundeten schwarzen Holzrahmen auf dem Stahlrohr.
00:18:23: Der Entwurf ist zwar von Marcel Breuer, aber es gibt noch zwei weitere Herren, die die Erfindung des Freischwingers für sich beansprucht haben.
00:18:30: Der eine ist Mats Darm, ein junger holländischer Architekt, der die Grundidee hatte, aber noch kein Stahldorf verwendete.
00:18:37: Der andere ist Ludwig Mies van der Rohe, Idol der modernen Architektur und dritter Bauhorstdirektor.
00:18:44: Allerdings erst später.
00:18:46: Ist der Stuhl überhaupt ein Bauhorststuhl?
00:18:50: Genau, lass uns mal über diesen Matsdarmstuhl sprechen.
00:18:53: Da fängt die Geschichte sozusagen an.
00:18:56: Der ist das Brillant der Hirn, der einen Stuhl entwirft, der nur zwei Beine hat.
00:19:00: Bis dahin haben eigentlich Stühle immer vier Beine.
00:19:02: Okay, gut, der Schaukelstuhl, das ist nochmal so ein Sonderfall.
00:19:06: Aber der nimmt sozusagen die hinteren Beine weg.
00:19:09: Und er macht es am Anfang so, dass er Gasrohr nimmt, also schon auch Röhren.
00:19:14: Und die baut er sozusagen zusammen.
00:19:17: Das ist ein Einzelstück.
00:19:19: Die Geschichte erzählt, er baut diesen Stuhl für seine schwangere Frau.
00:19:23: Möglicherweise, weil der dieses Wippen auch gut hat.
00:19:26: Angeblich auch inspiriert von Autositzten.
00:19:28: Ah,
00:19:28: das ist interessant.
00:19:29: Da haben wir es wieder, Verkehr und so weiter.
00:19:32: Naja, und dann geht die Geschichte so, dass Mats Dam zeigt dem berühmten Ludwig Miesfanderoe, ein großer Architekt und Stardis-Design, der zeichnet seine Idee auf für diesen Freischwinger auf so eine Serviette bei einem Abendessen.
00:19:49: Genau,
00:19:49: bei der Hochzeit von Willi Baumeister.
00:19:51: Tatsächlich.
00:19:51: Und das muss die Hochzeit Serviette gewesen sein, die dann dazu umfunktioniert wurde.
00:19:55: Und da saßen dann bei Willi Baumeister auch ein sehr bekannter Künstler.
00:19:58: Da saßen dann natürlich die ganzen wichtigen Avantgarde-Künstlerinnen und haben sich uns halten.
00:20:02: Sassen bei Sammen.
00:20:03: Sassen
00:20:04: bei Sammen, genau.
00:20:04: Und Matts Samm, wer weiß, warum.
00:20:06: wollte dann unbedingt seine Idee des Sturz
00:20:08: präsentieren.
00:20:08: Ja, es ist ja eine Wahnsinns-Idee, also auch da, wie der Punk eigentlich kommt, tatsächlich neu.
00:20:13: Und dann zeigt er das Ludic Mies van der Ruhe und ich glaube, er nimmt diese Erwerte sogar mit oder irgendwie so oder hat es zumindest gesehen?
00:20:20: Es
00:20:20: wird ihm gegeben.
00:20:21: Ich glaube, einer von den Gebrüdern rasch ist dabei, wenn ich das richtig verstanden habe und der gibt ihm dann später diese sehr Werte.
00:20:27: Es ist natürlich alles nicht belegt.
00:20:29: Dieses Jahr wird er auch verschäuern oder hat nie existiert, das wissen wir alles
00:20:32: nicht.
00:20:33: Es gibt auch die Geschichte, dass Ludwig Miesvanderoy danach zu seinen Mitarbeitern gesagt hätte, hässliches, sowas hässliches dieser Stuhl.
00:20:41: Da muss man aber immer ein bisschen aufpassen bei dieser Art von Geschichten.
00:20:45: Andererseits zeigen sie halt auch ein bisschen schon auch manchmal so einen Hauch von Wahrheit, weil Ludwig Miesvanderoy macht sozusagen eine Coverversion von diesem Freischwinger, die aber viel gebogener ist.
00:20:57: Es ist eine schöne, geschwungene, große Linie.
00:21:00: Der ist auch raumgreifender.
00:21:02: Der hat schon ein bisschen was von der Stuhlskulptur irgendwie.
00:21:06: Und Mats Damm hatte was anderes im Kopf.
00:21:08: Der wollte wirklich was ganz, was klares, cleanes, ohne viel, irgendwas.
00:21:14: Einfache Möbel, gleichgeltig ob schön oder nicht.
00:21:17: Einfache Mittel, das hat das Damen gesagt.
00:21:19: Also nicht mal die Schönheit war ihm unbedingt so wichtig, sondern dass es wirklich einfach ist.
00:21:24: Und eigentlich auch Billig.
00:21:25: Das war auch ein großes Anliegen, dass das Stühle sind, die sich jeder leisten kann.
00:21:29: Ludwig Mies van der Rohe war da eh ganz anders.
00:21:31: Für den war das gleich die Idee, das moderne Luxorius zu gestalten.
00:21:35: Und wie passt jetzt Marcel Breuer da rein?
00:21:37: Der hat nämlich auch noch seinen Beitrag am Freischwinger.
00:21:40: Ich möchte nur ganz kurz noch eine kleine Sache ergänzen zu Ludwig Mies van der Rohe.
00:21:43: Es ist ja auch, dass man da vielleicht auch nochmal untersuchen müsste, wie weiter der Beitrag auch von Lilly Reich ist.
00:21:48: Wenn man die Anekdote zum Beispiel nimmt, dass Ludwig Mies van der Rohe diese Stühle so hässlich fand.
00:21:53: Und dann relativ kurz danach, also wir sind jetzt bei sechsundzwanzig und siebenundzwanzig, im Herbst siebenundzwanzig werden diese Freischwinger von Ludwig Mies van der Rohe auch schon auf einer Textilmesse die Mode der Dame in Berlin gezeigt.
00:22:07: die von Lilly Reich und ihm ausgestattet wurde.
00:22:10: Da waren die das erste Mal zu sehen und wurden dann nachträglich dann auch in der Weißenhof-Siedlung gezeigt.
00:22:16: Also das ist auch nochmal ein ganz wichtiger Aspekt, wer da mit reinkommt, wer da mit rein spielt, weil wir gerade auch von... Weiblichen Designerin gesprochen haben.
00:22:23: Soweit ich weiß, ist das im Fall von Lilly Reich sehr, also Ludigmus van der Rohe sehr schwer.
00:22:27: Es gibt ja keine Dokumente, wo genau drin steht.
00:22:30: Das habe ich gemacht, das hat er gemacht, so ungefähr.
00:22:34: Und es gibt Theorien, die sagen, das ist alles von ihr.
00:22:37: Und er hat seinen Namen gegeben.
00:22:39: Es gibt auch die, die sagen, das ist alles von ihm.
00:22:42: Genau.
00:22:42: Und irgendwo dazwischen liegt
00:22:44: die Wahrheit.
00:22:45: Genau.
00:22:45: Aber das wollte ich nur noch mal erzählen, damit wir nicht nur, weil zum Beispiel Lilly Reich hat auch das Korbgeflecht.
00:22:50: Ähnlich.
00:22:51: Der Freischwinger von Mies van der Rohe, der heute bekannt ist und der am völkreichsten ist, ist die Version mit einem Korbgeflecht.
00:22:56: Und dieses Korbgeflecht wurde von Lilly Reich wiederum entworfen.
00:22:59: Also das ist nur so nach einem Aspekt, der unbedingt auch erzählt werden sollte und der oft vernachlässigt wurde.
00:23:09: So gut.
00:23:10: Am
00:23:10: Anfang Gummi.
00:23:11: Kann man sich vorstellen, wie bequem das war, da draufzusetzen.
00:23:14: Gerade wenn es warm war, das glaube ich.
00:23:16: Eben.
00:23:16: Also das Stahlrohr ist ja nicht alles.
00:23:20: Es bleibt dann noch das, worauf wir wirklich sitzen, die Materialität, wie sich das auch anfühlen.
00:23:25: Also Mazdam geht da auch den Weg des modernen Materials.
00:23:28: Er wählt Gummis, Er wählt Spanngurte auch irgendwie, vielleicht auch mit einer Nähe zu Verkehrsmitteln und so weiter.
00:23:35: Also für ihn ist eben nicht so wichtig, dass es schön ist, sondern es soll modern sein und es soll eben praktisch sein.
00:23:41: Offensichtlich hat sich seine schwangere Frau wohlgefühlt.
00:23:45: Und was Marcel Breuer dann macht, ist, er benutzt Stahlrohr für den Stuhl.
00:23:50: Plötzlich gibt es neue Möglichkeiten, diesen Stuhl zu fertigen, auch in der größeren Auflage durch das Stahlrohr.
00:23:56: Und dann ist eben besonders spannend hier an dem Stuhl von meiner Oma, dass man versucht, eine Brücke zu bauen.
00:24:02: Also er versucht jetzt nicht das radikalste neueste Material, sondern er versucht Korbgeflecht, so wie eben auch Lilireiche und Ludic Mies van der Rohe.
00:24:12: Und das ist so spannend, weil Korbgeflecht gehört jetzt zu den frühesten handwerklichen Techniken, zu den frühesten Kulturäußerungen auch.
00:24:20: Und das ist ein Naturmaterial, das eben ganz laut Handwerk erzählt, in dem Fall sogar diese Tradition von der Firma Tonnet und dem Wiener Caféhaus und so weiter.
00:24:31: Also da ist jetzt auch wieder die Frage, ich habe dann drüber nachgedacht, war das gutes Marketing oder Idealismus, dass man wirklich eine Brücke schlagen wollte in einem Stuhl?
00:24:39: oder hat man sich gedacht, Ja, bisher läuft es noch nicht so richtig mit den Stahlraum-Höbeln.
00:24:44: Versuchen wir mal, was das ein bisschen mehr Mainstream vielleicht auch ist.
00:24:47: Ich glaub tatsächlich Letzteres.
00:24:49: Auch wenn das vielleicht ein bisschen den Mythos ankratzt, weil ich glaub tatsächlich Letzteres.
00:24:54: Weil diese Stühle Marcel Breuer hat sich selbstständig gemacht mit seiner Firma und mit seinen Kollegen.
00:24:59: Und die Firma lief auch am Anfang nicht ganz so wunderbar.
00:25:02: Und ich glaube, das liegt auch daran, dass halt wirklich mit diesem Stuhl oder generell mit diesen Stahlraumöben auch immer so eine klinische Kälte assoziiert worden ist.
00:25:10: Ich glaube, das ist schon ein wichtiger Punkt.
00:25:11: Das war auch ein ziemlich häufiger Kritikpunkt an dem Öbel selbst.
00:25:15: Und in dem Sinne ist es dann natürlich von Tonnet, wenn die natürlich den Stuhl vermarkten wollen, einfach eine ganz gute Idee, praktisch dieses kühle Klinische so ein bisschen aufzubrechen.
00:25:25: Ja, ich muss auch sagen, ich meine, ich lebe ja mit diesem Stuhl, das funktioniert, erzählt viel mehr wohnlich.
00:25:31: Das Problem ist ja, dass der normale Stallrohrstuhl mit Leder eben nicht so sehr wohnlichkeit erzählt.
00:25:36: Und ich habe da irgendwie einen ganz lustigen Vierzeiler gefunden, wo man versucht hat, das zu kritisieren.
00:25:42: Fort die Möbel aus der Wohnung, fort mit was nicht hingehört.
00:25:46: Wir behaupten ohne Schonung, jeder Mensch, der da ist, stört.
00:25:49: Genau.
00:25:50: Also diese Idee, das so clean, alles aufgeräumt, alles leer.
00:25:54: Alles
00:25:54: überflüssige muss weg sein.
00:25:55: Genau.
00:25:56: Und dafür steht ja auch Stahlrohr.
00:25:57: Der ist wahnsinnig filigran auf eine Art.
00:26:00: Und da wirkt so ein Lehrerraum, sieht man ja heute noch oft, zu schicke weiße Wohnungen mit so einem schicken Ludwig Miesfander rollen.
00:26:09: Genau.
00:26:10: Ich hab auch einen Freund, der hat sein Wohnzimmer.
00:26:11: Eingerichtet.
00:26:12: Da gibt es einen schönen, schwarzen Tisch mit auch mit Stahlrohrbeinen und dazu dann den Freischwinger dazu.
00:26:17: Das ist ja auch ein Status-Symbol letztendlich.
00:26:19: Ja, genau, das ist es tatsächlich.
00:26:20: Es zeugt vermeintlich von gutem Geschmack.
00:26:22: Ja, und modernem Geschmack.
00:26:24: Genau, modernem Geschmack.
00:26:26: Ja, jetzt bleibt aber eben die schwierige Frage.
00:26:28: Ist jetzt dieser Freischwinger ein Bauhausstuhl?
00:26:32: Also fassen wir zusammen.
00:26:33: Die Grundidee kommt von Marz Darm.
00:26:35: Genau.
00:26:36: Der hat erstmal mit dem Bauers nichts zu tun.
00:26:38: Der geht aber dann später... Er
00:26:40: war zu Besuch auf jeden Fall, war auch damals ja schon recht anerkannte Architekt, war auch bei der Eröffnung des Bauhauses dabei, ist aber erst später tatsächlich Gastdozent, also nachdem er sein Freischwinger entworfen hat.
00:26:51: Genau.
00:26:52: Und Ludwig Misfanderuhe, der... als der sozusagen seine Coverversion macht, ist der auch nicht am Bauhaus.
00:26:58: Der wird später mal dritter und letzter Bauerstirektor, aber da erst mal nichts im Bau zu tun.
00:27:04: Die einzige Connection ist Marcel Breuer und der hat ja aber nun die Grundidee nicht gemacht.
00:27:09: Der hat das Material ausgewählt und er hat eine winzige Kleinigkeit gemacht.
00:27:13: Er hat die Rückenlehne ein wenig gekippt.
00:27:16: Da ist so ein kleiner Winkel drin, dass es nicht mehr am neunzig Grad ist, weil das nicht so ergonomisch.
00:27:21: Und dieser kleine Winkel und diese Idee mit dem Stahlrohr machen den Stuhl massentauglich.
00:27:27: Dennoch, das eigentlich coole, dieses Freischwingende, das der nur radikal zwei Beine hat und so.
00:27:33: Das ist nun nicht von Marcel Preuer.
00:27:35: Genau, das ist nicht von ihm.
00:27:36: Also er hat die Form, die Form basiert tatsächlich auf dem Entwurf von Mats Damm.
00:27:42: Und er hat die Form weiterentwickelt.
00:27:44: Aber auch ein anderer Punkt ist, als er diesen Freischwinger entwickelt hat, war er eben nicht mehr am Bauhaus.
00:27:49: Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
00:27:52: Also alle drei Herren, die den Freischwinger entworfen haben oder einen Freischwingermodell entworfen haben, waren zu dieser Zeit nicht am Bauhaus.
00:27:59: Genau, obwohl es da auch natürlich ganz interessant ist, um auf deine Frage einzugehen, ist es ein Bauhausstuhl.
00:28:03: Ich würde sagen, historisch gesehen, nein.
00:28:06: Aber natürlich wird da auch ganz viel in der Rezeption dann doch wieder zugeordnet.
00:28:09: Oder es wird versucht, zuzuordnen.
00:28:11: Ja, eben, das ist der Punkt.
00:28:12: Also, wenn Leute ans Bauhausarchiv kommen oder in unserem Museum, dann fragen die nach dem Freischwinger, weil die verbinden das mit Bauhaus.
00:28:19: Es ist für die irgendwie das Gleiche.
00:28:21: Ist
00:28:21: natürlich auch vom Bauhaus selber so vorangetrieben worden, würde ich jetzt mal behaupten.
00:28:25: Also es gab einen ganz großen Rechtsstreit und Urheberrechtsstreit tatsächlich.
00:28:28: Wer nun der Entwerfer ist, den hat Marz Damm übrigens für sich entschieden.
00:28:34: Er gilt als der Entwerfer des Freispingers.
00:28:37: Und tatsächlich wurde, wenn ich mich nicht irre, weiter Kropius als ein externer Berater dazugezogen.
00:28:42: Um zu sagen, wer den jetzt nun diesen Reichschwinger erfunden hat.
00:28:45: Und er sagt natürlich, es war Marcel Breuer.
00:28:47: Und Mats Damm, als er ans Bauhaus kam, um sich die Neueröffnung des Bauhausgebäudes anzuschauen, hätte sozusagen die Idee kopiert.
00:28:54: Aber das ist halt alles, das ist auch, glaube ich, das Ego der drei Herren.
00:28:57: Der Einzige, der von vornherein schlau genug war, war Mies van der Rohe, der im Jahr die Patente angemeldet hat für seine Form.
00:29:03: Aber das ist natürlich eher die runde, schwingende Form.
00:29:06: Aber
00:29:06: der war fein raus, der wusste gleich hier Patent, dann habe ich das vom Tisch, weil Wiedermarztam noch Breuer haben gleich eins angemeldet, glaube ich, oder?
00:29:16: Breuer hat für seine anderen Modelle auf jeden Fall so eine Art Patent angemeldet, also sieben Stück für die ersten Möbel, die entworfen wurden, aber nicht für den Freischwing an einem.
00:29:25: Na ja, also ich hab dann drüber nachgedacht, meine Oma war's wahrscheinlich egal, ob das ein Bauhausstuhl ist oder nicht.
00:29:31: Für uns ist es spannend, weil es eben zeigt, wie groß die Schnittmenge ist.
00:29:36: Also meine Oma, ich kann sie leider nicht mehr fragen, wann sie den Stuhl gekauft hat, aber ich schätze in den Achtzigern.
00:29:42: Ich hab sogar ein Artikel im Spiegel gefunden von neunzentundneunundachtzig, wo steht, oh wow, der große ist Stahlrohr, Hype und so weiter.
00:29:51: Da wird das irgendwie noch mal sehr gefeiert, gerade auch der Freischwing.
00:29:55: und ich glaube, dass meine Oma die in den Achtzigern gekauft hat, aber eben weil das modern war.
00:30:00: Also meine Oma hatte schon ganz guten Geschmack und war auch durchaus daran interessiert, die neueste Mode in diesem Sinne.
00:30:06: Wir vergessen ja, dass modern irgendwie von Mode kommt in Wahrheit.
00:30:10: Und die fand es halt einfach dann spannend, weil es was anderes war.
00:30:14: Aber uns interessiert natürlich, wie kommt es denn zu so einem Stuhl?
00:30:18: Also wer entwirft es, worum geht es eigentlich, ist die Idee, Grundsätzlich immer wichtiger ist die technische Umsetzung.
00:30:26: Wenn Mats Dam bei dieser Grundidee geblieben wäre, die man gar nicht so gut in Serie produzieren kann, was wäre dann draus geworden?
00:30:33: Also, einen Anteil hat Marcel Breuer sicherlich und dass er ein Stahlrohr hält war, kann ihm sowieso keiner nehmen.
00:30:39: Er ist auch in dem Sinn auf den Freischwinger gar nicht so angewiesen.
00:30:43: Also, beziehungsweise kann man ja auch fairerweise sagen, dass diese Version mit dem Korbgeflecht ist ja tatsächlich von Marcel Breuer.
00:30:50: Da wird niemand auf die Idee kommen.
00:30:52: von der Forschung, das auf Marz Damm zu beziehen.
00:30:54: Obwohl tatsächlich dieser Stuhl aufgrund dieses Urheberrechtsstreit jahrzehntelang Marz Damm zugeschrieben wurde, weil er diesen Urheberrechtsstreit gewonnen hatte.
00:31:01: Ja, ich
00:31:01: hab das auch noch in paar älteren Büchern gesehen.
00:31:04: Jetzt gibt's noch eine ganz hindreißende Geschichte, wie angeblich Marcel Breuer überhaupt zu diesen Stahlraumöbeln gekommen ist.
00:31:11: Die steht in jedem Buch, die wird gern kolportiert, nämlich die Geschichte vom Fahrrad-Lenk.
00:31:15: Die
00:31:16: Geschichte vom Fahrrad, genau.
00:31:18: Ein gutes Beispiel für die Legendenbildung, die meistens von den Künstlerinnen selbst ausgeht, kann aber natürlich was dran sein.
00:31:24: Also ich habe ja vorhin erzählt, dass natürlich gerade in der Verkehrsmittelindustrie ganz viel mit Stahl und Stahlrohr experimentiert wurde und Marcel Breuer erzählt immer, dass er sein erstes Fahrrad standen hatte von der Firma Adler, wenn ich mich recht ins Sinne und durch dieses Material natürlich auf die Idee kam mit diesem damit weiterhin experimentieren zu wollen.
00:31:43: Und dann gibt es die Geschichte, dass er auch die Firma selber angefragt hat, aber die nicht eben Stahlrohre stellen können.
00:31:48: Genau, haben sie nicht gemacht, hat dann eine andere Firma gemacht, die sich auf Stahlrohr spezialisiert hatte.
00:31:53: Es gibt aber auch noch andere Anekdoten, die dann erzählen, dass die Junkerswerke selber dieses Stahlrohr gestellt hätten.
00:31:58: Aber vielleicht ist es auch eine Mischung daraus oder das eine ist früher und das andere ist später, das weiß man alles nicht.
00:32:03: Aber auf jeden Fall gibt es keine keine Quelle, die jetzt belegt, dass es tatsächlich die Ausgangsinspiration das Fahrrad ist.
00:32:10: Aber
00:32:10: vielleicht
00:32:10: ist das auch vollkommen irrelevant, ob es nun so ist oder nicht.
00:32:13: Es ist ja trotzdem eine schöne Geschichte.
00:32:14: Und jetzt würd ich aber zum Abschluss doch noch gern wissen, auf welchen Stühlen du sitzt.
00:32:18: Auf
00:32:18: welchen Stühlen ich sitze.
00:32:19: Ich bin tatsächlich nicht so der Fan von Stahlrohr, muss ich sagen.
00:32:23: Ich bin in der DDR groß geworden, beziehungsweise dann im Ostdeutschland.
00:32:26: Und er war für mich in diese Stühle immer assoziierten.
00:32:29: Mit Wartezimmern, Anwaltskanzleien, also nicht das jetzt Kind, sondern nicht vielen Anwaltskanzleien gewesen.
00:32:35: Das sind meine Assoziationen.
00:32:39: In meiner Familie gab es diese Stühle auch nicht.
00:32:41: Man hätte die sich nicht ins Wohnzimmer gestellt.
00:32:43: Wir sind alle total Holz.
00:32:45: Holz ist toll.
00:32:46: Die klassischen DDR-Möbel hatten mehr auch.
00:32:48: Nach der Wende wurde es modern, aber immer noch Holz.
00:32:52: Deswegen habe ich zu Hause auch eigentlich nur Holzstühle.
00:32:56: Obwohl ich tatsächlich
00:32:57: bei einem Freischwinger von Mies nicht unbedingt nein sagen würde.
00:33:00: Ja, muss man sagen, das hat schon was.
00:33:03: Es ist ja irgendwie auch cooler, wenn du sagen kannst, ich wohne nicht in meinem Bauhaus hier, das ist ja eben das totale Klischee.
00:33:12: Christine, vielen lieben Dank, das hat mir viel Spaß gemacht.
00:33:16: Und wir sind die Mythos auf den Grund gegangen.
00:33:19: Eigentlich war der Freischwinger kein Bauhausstuhl.
00:33:22: Das neue Material Staltrohr hat das Bauhaus aber schon zum kreativen Experimentieren angeregt und künstlerisch neue Ideen geschaffen.
00:33:35: Diese Kreativität des künstlerischen, das wir dem Bauhaus immer zuschreiben, soll uns dann in den nächsten beiden Folgen begleiten.
00:33:43: Wie wird man kreativ und wie wird man eigentlich Künstlerin oder Künstler?
00:33:48: Das Bauhaus war ja eine Schule.
00:33:50: Aber kann man Kunst überhaupt lernen?
00:33:52: Darüber wollen wir in der nächsten Folge sprechen.
00:33:55: Mein Gast ist dann der Fotograf Sven Marquardt und es wird philosophisch.
00:34:00: Hoffentlich seid ihr wieder
00:34:28: dabei.
Neuer Kommentar